Lead, Speed, Bouldern und neu Olympic Combined. Wenn sich die weltbesten Kletterer zum Kräftemessen treffen, bedeutet das für die Zuschauer: Athletik, Ästhetik und Adrenalin pur.
Klettern im Wettkampf bedeutet weit mehr als nur schnödes Kräftemessen. Die Routen sind diffizil, erfordern von den Athleten volle Körperbeherrschung, eine perfekte Balance und eine ideale Mischung aus Kraft und Ausdauer. Dazu müssen Wettkampfkletterer technisch und taktisch versiert sein, und schnell Routen „lesen“ können, die sie zuvor noch nie gesehen haben und noch nie klettern konnten. Sie müssen in wenigen Minuten bei der Sichtung die Schlüsselstellen herausfiltern, Grifffolgen überlegen und abspeichern. Hochleistungssport für Körper und Geist. Vom 6. – 16. September treffen sich in Innsbruck die weltbesten Kletterer bei der Kletter-WM in den Disziplinen Lead, Bouldern, Speed und neu Olympic Combined. Denn der faszinierende Sport geht 2020 erstmalig bei den olympischen Sommerspielen in Tokyo an den Start. Höchste Zeit also sich mit den Disziplinen und Regeln vertraut zu machen.
Die Disziplinen im Überblick
Lead (Vorstiegsklettern)
Sie zählt zu den bekanntesten Klettersparten, nicht zuletzt weil mit dieser Sparte vor über 30 Jahren in Frankreich der Wettkampfsport startete und sich schnell etablierte. Geklettert wird mit Seil nach den Anfängen am „echten Fels“ in den achtziger Jahren mittlerweile ausschließlich an 10 bis 20 Meter hohen Kunstwänden. Von den Kletterern werden besonders Kraft, Ausdauer sowie technische und taktische Finessen gefordert. Das Ziel ist eine Route innerhalb eines festen Zeitlimits möglichst sturzfrei zu meistern, bzw. in dieser Route möglichst höher als die Konkurrenz zu klettern. Dabei muss der Kletterer im Vorstieg (Lead) alle Zwischensicherungen selbst einhängen.
Im Wettkampf wird meist in zwei verschiedenen Verfahren geklettert: Die Qualifikation findet im sogenannten „Flash-Modus“ statt. Sprich die Kletterer können sich gegenseitig beobachten, oder zu Wettkampfbeginn demonstriert ein Routenbauer wie die Route zu meistern ist. Geklettert wird in zwei Qualifikationsrouten und zwei –gruppen, entsprechend der internationalen Athleten-Rankings. Die Top-13 jeder Gruppe ziehen ins Halbfinale ein. Im Halbfinale und Finale wird „onsight“ geklettert. Das heißt die Athleten müssen in eine Isolationszone und können nicht mehr einander beim Klettern zusehen. Im Finale stehen dann die besten acht Kletterer.
Ablauf für Halbfinale und Finale mit Isolationszone: Nachdem die Route neu gesetzt wurde haben die Athleten 6 Minuten Zeit sich die Route anzusehen und die Griffabfolgen einzuprägen. Die Sichtung erfolgt für alle zusammen. Danach geht es für alle wieder in die Isolationszone, wo die Kletterer einzeln für ihren Versuch aufgerufen werden. Sie haben keine Möglichkeit beispielsweise aus den Fehlern der Konkurrenz zu lernen. „Onsight“ ist die Königsdisziplin im Klettern – nicht nur im Wettkampfgesehen.
Welche Schwierigkeiten werden im Wettkampf geklettert? Bei nationalen Contests liegt das verlangte Kletterniveau bei 9+/10- (7c+ bis 8b/b+) für die Herren. Bei den Damen liegen die geforderten Schwierigkeiten bei 9- bis 10- (7b+ bis 8a+). International kann das Niveau noch etwas höher liegen.
Ranking: Wie wird gewertet? Entscheidend für das Ergebnis ist die erreichte Höhe. Vor allem der letzte erreichte Griff bestimmt die Höhe. Ausschlaggebend ist hierbei nicht die Höhe über dem Boden, sondern der wievielte Griff in der Route noch gehalten wurde. Diffizil und eine reine Jury-Entscheidung: Wird der Griff als gehalten gezählt (W= Wertung), oder nicht, und wurde noch eine Bewegung zum nächsten Griff ausgeführt oder nicht (W+). Das + kann bei einem gleich guten Starterfeld das Zünglein an der Waage sein.
Bouldern (Klettern in Absprunghöhe)
Die noch recht junge Wettkampfsparte Bouldern erfreut sich vor allem beim Publikum äußerst großer Beliebtheit. Das Klettern erfolgt an einer künstlichen Kletterwand in Absprunghöhe ohne Seil. Die Boulder sind so gesetzt, dass die Füße der Teilnehmer (niedrigster Körperteil) nie höher als 3 Meter über dem Boden sind. Stürze werden von Weichbodenmatten abgefedert. Beim Bouldern müssen in wenigen Zügen schwere Einzelzüge gemeistert und diffizile Bewegungsabläufe bewältigt werden. Das erfordert von den Athleten eine besonders ausgeprägte Beweglichkeit, Körperspannung, Maximalkraft, Athletik sowie Feinmotorik. Um die von den Routenbauern gesetzten Boulderprobleme zu lösen sind oft akrobatische Bewegungen, dynamische Sprünge und ungewöhnliche Körperpositionen notwendig. Genau diese Form der Bewegungen macht die Wettkämpfe so interessant und spektakulär.
Die Athleten müssen in der Regel in der Qualifikation die Probleme von 5 Bouldern und im Halbfinale und Finale die Schwierigkeiten von 4 Bouldern knacken.
Welche Schwierigkeiten haben die Boulderprobleme? Bei den Herren liegt der Bereich bei fb 7c bis 8a (fb=Fontainbleau). Bei den Damen liegen die Schwierigkeiten im Bereich fb 6c-7b. Die Boulderbewertung unterscheidet sich von den Kletterskalen darin, dass bedingt durch die geringe Routenlänge die Züge wesentlich schwieriger sind. Ein fb 6b-Boulder fühlt sich härter an, als eine 25-Meter-6b-Route.
Ranking: Wie wird gewertet?
Beim Bouldern werden mittlerweile erreichte Zonengriffe (gut sichtbar markiert für Boulderer und Jury) höher bewertet als die Anzahl der Versuche. Wie beim Lead-Wettkampf haben die Ahtleten ein festes Zeitlimit in dem sie sich an den Bouldern versuchen können. Ziel: Möglichst top, also bis zum Ausstiegsgriff zu kommen. Dieser muss mit beiden Händen für zirka 3 Sekunden gehalten werden. Interessante Boulder und diffizile Bewegungsaufgaben sind hier die Königsklasse der Routenbauer.
Speed (Toprope-Klettern auf Zeit) Geschwindigkeit ist hier alles, denn sie entscheidet über den Sieg. Wer am schnellsten die Routen klettert gewinnt! Speed-Kletterer verfügen über eine erstklassige Kraft-Ausdauer-Balance. Sie können super präzise Greifen und Treten, denn nur so können sie schnell und sicher zum nächsten Zug übergehen.
Ranking: Wie wird gewertet? Im Wettkampf müssen mehrere K.O.-Runden geklettert werden bei denen die Kletterer gegeneinander antreten. Eine hervorragende Schnellkraft und Ausdauer ist hier entscheidend. Die Speedwände sind mittlerweile standardisiert und haben eine feste Abfolge von Griffen. Ganz oben (top) müssen die Wettkämpfer einen Buzzer drücken, er hält die Zeit fest.
Damit sich die Athleten voll und ganz auf den Speed-Climb konzentrieren können, ohne dabei an Sicherheit einzubüßen wird hier toprope geklettert, sprich mit Seilsicherung von oben.
Olympic Combined (neu und erstmalig bei der Kletter-WM Innsbruck in Aktion)
Klettern wird olympisch! Bei den olympischen Sommerspielen 2020 in Tokyo dürfen sich erstmalig die besten Klettererathleten der Welt bei Olympia messen und die ersten Olympiasieger küren! Dafür wurde ein neues Wettkampfformat entwickelt: Die Olympic Combined. Hier müssen die Athleten in allen drei oben vorgestellten Kletterdisziplinen antreten: Lead, Bouldern und Speed!
Die Wettkämpfe in allen drei Disziplinen finden an einem Tag statt! Hier heißt es eine perfekte Kraft-/Ausdauer-Balance zu trainieren. Schnell zu regenieren und neue Kräfte zu mobilisieren.
In Tokyo werden in diesem Dreikampf-Format sechs Medaillen vergeben.
Der Ablauf: Gestartet wird mit der Speed-Disziplin, dann geht es an die Boulderwand, zum Schluss müssen die Athleten noch im Lead-Wettkampf an die hohe Kletterwand. Der Kletter-Dreikampf wird in zwei Runden durchgeführt: Qualifikation und Finale. In der Qualifikationsrunde starten alle Teilnehmer, die besten sechs starten dann im Finale.
Ranking: Wie wird gewertet? Durch Multiplikation der Platzierungen aus jeder Disziplin ergeben sich die Punktzahlen. Je niedriger die Punktzahl, desto besser die Platzierung. Das Ranking ändert sich nach jeder Runde, sprich, die Platzierung aus der Qualifikation wird mit dem Einzug ins Finale gelöscht.