Vor exakt einem Monat, am 10. März 2024, hat Charlize Mörz Turnsport-Geschichte geschrieben: Als erste österreichische Athletin überhaupt errang die Burgenländerin in Baku einen Weltcupsieg im Frauen-Turnen. Im Boden-Finale schraubte sie ihren bisherigen Punkterekord auf 13.566 Zähler – und schaffte damit auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris. „Es hat ein wenig gedauert, das alles zu realisieren. Mittlerweile habe ich den Erfolg für mich einordnen können: Der Triumph hat gezeigt, dass ich mich in den letzten Monaten sehr gesteigert habe, meine gesteckten Ziele erreichen und mit der absoluten Weltspitze mithalten kann“, erzählt Mörz stolz.
Ihr eigentliches Fernziel war eine Qualifikation für die Spiele 2028 in Los Angeles, USA. Mit ihrer Leistungsentwicklung hat sie in ihrer Planung aber eine neue Zeitrechnung aufgemacht: „Dass es jetzt schon mit einer Qualifikation geklappt hat, ist etwas überraschend gewesen – aber total cool. 2028 war für mich und mein Umfeld einfach realistischer, weil ich noch so viel Potential habe. Den Wettkampf in Paris möchte ich nun genießen, ein Boden-Finale wäre das Nonplusultra. Und dann gilt es aus diesem Event so viel wie möglich für die Zukunft mitzunehmen.“
Dass sie in so kurzer Zeit den Aufstieg unter die besten Bodenturnerinnen der Welt geschafft hat, habe mehrere Gründe: „Zunächst haben wir meine Übung verändert und ich habe sehr viel an der Gymnastik und am Ausdruck gearbeitet. Entscheidend für meine Entwicklung war sicher auch, dass ich meinen Trainingsstützpunkt nach Linz ins Bundesleistungszentrum verlegt habe. Dort habe ich Voraussetzungen internationalen Niveaus, um als Spitzensportlerin bestmöglich trainieren zu können. Und auch die Zusammenarbeit mit meiner Trainerin Gabriele Frehse hat bei mir vieles zum Positiven geändert. Seitdem ich mit ihr arbeite, bin ich besser und erfolgreicher geworden.“
Auf Mörz‘ „Road to Paris“ steht in naher Zukunft der Weltcup in Doha, Qatar (17. – 20. April) und von 24. bis 28. April nimmt die 18-Jährige an der Europameisterschaft in Rimini, Italien teil – mit einem großen Ziel: „Ich möchte dort unbedingt ins Boden-Finale. Es wäre das erste Mal, dass ich mich bei kontinentalen Titelkämpfen für die Top-8 qualifiziere. Das wird definitiv ein schwieriges Unterfangen – aber ich habe zuletzt bewiesen, dass ich zu dieser Elite dazugehöre und bin positiv, mein Ziel dort zu erreichen.“
Selina Kickinger kämpft bei EM um allerletzten Quotenplatz
Selina Kickinger ist, neben Bianca Frysak und der jüngst bei der Staatsmeisterschaft mit vierfach Gold dekorierten Leni Bohle, auch noch im Rennen um die Olympischen Spiele in Frankreich. Bei der Weltmeisterschaft 2023 haben der Niederösterreicherin am Ende 0.134 Punkte auf den Quotenplatz gefehlt – die Qualifikation will die 22-Jährige nun bei ihrer letzten Chance, der Kunstturn-Europameisterschaft in Rimini, schaffen.
„Natürlich war ich anfangs enttäuscht – ganz klar. Aber mir haben nur weniger als zwei Zehntel gefehlt, ich mische also bei den allerbesten mit. Seit der WM habe ich alles reingesteckt, alles gegeben – körperlich und mental – und freue mich nun auf diese Chance. Ich bin eine Wettkämpferin, in einer Competition immer besser als im Training. Ich gehe selbstbewusst in diesen Vergleich, will Spaß haben, das ganze genießen und wenn das funktioniert, dann bin ich positiv, dass ich sehr gute Chancen auf die Olympiaqualifikation habe“, sagt Selina Kickinger. Bei ihren letzten Trainingsblöcken stand die Stabilität im Vordergrund, erst vor ein paar Wochen hat sie begonnen den Schwierigkeitsgrad ihrer Übungen wieder nach oben zu schrauben. Für eine erfolgreiche EM brauche es ein „gesundes Risiko. Wenn man da wirklich nur versucht, ‚safe‘ seine Übungen zu turnen, wird es schwierig. Chancen sind zwar immer da, aber mit einem höheren Ausgangswert sind sie größer.“
Der sensationelle Weltcupsieg ihrer Teamkollegin Charlize Mörz sei für die Athletin von der Sportunion Böheimkirchen und das gesamte Team „ein Gewinn“ gewesen. „Wenn eine im Team so einen Erfolg hat, dann freuen wir uns alle mit ihr. Das gibt einen ‚Push‘ – und man will selbst gleiches schaffen. Es motiviert uns, noch härter unsere Ziele zu verfolgen.“
Vinzenz Höck nimmt EM ins Visier und lässt Zukunft offen
Trotz durchwegs starker Leistungen bei den letzten Großereignissen – WM-Sechster und EM-Fünfter – hat sich Vinzenz Höck nicht für die Olympischen Spiele qualifizieren können. Mit Rang zwölf beim Weltcup in Baku musste der Ringe-Turner seine Chancen auf Paris begraben. „Ich bin lange genug dabei, dass ich die Richtlinien und meine Konkurrenten schon sehr gut kenne. Die Chance auf die Qualifikation war zwei zu elf – ich musste richtig treffen und auch die anderen Athleten mussten mitspielen. Deswegen ist es so, wie es eben ist. Viel mehr stört es mich, dass ich die letzten drei Wettkämpfe nicht so performt habe, wie ich es kann. Es haben immer Kleinigkeiten gefehlt“, resümiert der siebenfache Weltcupsieger.
Bei der anstehenden Europameisterschaft will der 28-Jährige ins Finale turnen. „Das wird richtig knackig: Es gibt 15 Turner an den Ringen, die über 6.0 Ausgangswert turnen können – acht davon schaffen den Finaleinzug. Kleien Nuancen werden entscheiden. Das Wichtigste ist, dass ich ruhig bleibe und nahe an der Perfektion turne.“
Nach der EM wird Vinzenz Höck, der im Vorjahr das Mechatronik-Studium als Diplomingenieur abschloss, eine Pause einlegen. „Ich möchte etwas Abstand gewinnen und neue Kraft tanken. Die größte Motivation, das Turnen auf diesem Niveau fortzusetzten, ist eindeutig die Entwicklung im Nachwuchs. Da haben wir ein für die Zukunft vielversprechendes Team – die Jungs können alle richtig gut turnen. Gemeinsam können wir hier eine sehr gute Mannschaft aufbauen – vielleicht ist da ein erfahrener Teil gar nicht so schlecht.“
Benny Wizani: Olympia-Start trotz Kreuzbandriss
Benny Wizani hat am Weg zu seiner erstmaligen Olympia-Teilnahme einen Rückschlag hinnehmen müssen. Der Athlet von WAT Brigittenau erlitt vor drei Wochen im Training bei einem Doppelsalto rückwärts mit vier Schrauben einen Kreuzbandriss. Trotz der Verletzung ist der 22-Jährige optimistisch, im Sommer in Paris an den Start gehen zu können: „Ich hatte Glück im Unglück: Meine ausgeprägte Muskulatur hat das Schlimmste verhindert. Das Kreuzband ist isoliert gerissen, Meniskus und Seitenband blieben unversehrt. Dadurch ist keine Operation notwendig geworden. Das macht die Hoffnung auf einen Olympiastart sehr groß. Anders hätte ich die Teilnahme wohl abschreiben können“, weiß Wizani.
Mittlerweile ist Österreichs bester Trampolin-Turner wieder gut auf den Beinen, arbeitet täglich mehrere Stunden mit seinem Physiotherapeuten am Comeback. „Schon ein paar Tage nach der Verletzung konnte ich wieder normal gehen. Inzwischen habe ich schon mit Kraftübungen wie Kniebeugen begonnen. Meine Vorbereitung ist jetzt natürlich anders als ursprünglich geplant – aber das Ziel hat sich nicht verändert. Es geht jetzt für mich darum, mental dranzubleiben und diese Herausforderung als zweite Qualifikation zu sehen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir das hinbekommen. Zu 99% werde ich in Paris an den Start gehen.“
Aufschwung soll bei der Europameisterschaft fortgesetzt werden
Turnsport Austria wird zumindest zwei Athlet*innen zu den Olympischen Spielen in Paris entsenden – das zeigt den generellen Aufschwung im heimischen Turnsport, der bei der anstehenden Europameisterschaft seine Fortsetzung finden soll:
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch bei den kommenden Events dieses Niveau halten und ausbauen können. Die Zusammenarbeit zwischen Landes- und Bundesleistungszentren hat sich in den letzten Jahren massiv verbessert – davon profitieren wir ungemein. Wir haben bei den Damen mit der Installierung von Trainerin Gabriele Frehse einen großen Sprung nach vorne gemacht – und es ist noch Luft nach oben. Bei den Herren gibt es im Nachwuchsbereich großartige Talente, deren Weg an die Weltspitze wir in den nächsten Jahren bewundern werden können. Ich bin, was die Zukunft betrifft, sehr positiv gestimmt“, sagt Turnsport Austria Präsident Prof. Friedrich Manseder.
Erreà neuer Partner bis 2028
Turnsport Austria freut sich, die Unterzeichnung eines neuen Sponsoring-Vertrags mit Erreà, vertreten in Österreich durch Sportfreunde GmbH, bekannt zu geben. Der Vertrag sieht die Lieferung von technischen und repräsentativen Kleidungsstücken für alle Athlet*innen sowie Funktionär*innen vor und gilt von 2024 bis 2028.
Damit beschreitet Turnsport Austria gemeinsam mit Sportfreunde GmbH / Erreà ganz bewusst den Weg der Nachhaltigkeit und geht als einer der ganz großen Sportverbände als Vorbild voran. Alle Produkte sind ÖKOTEX 100 zertifiziert, produziert ausschließlich in der EU. Die kurzen Transportwege unterstützen zusätzlich das Bestreben von Turnsport Austria, umweltbewusst und nachhaltig zu agieren.
Text- und Bildquelle: Turnsport Austria | Alle Fotos (C) Leo Hagen / Hagenpress