Der Albanische Leichtathletik-Verband mit einem Jahresbudget von nur 80.000 EUR ist durchwegs ehrenamtlich organisiert. Die jungen Mitarbeiter:innen des Verbands waren großartige Gastgeber, lieferten interessante Präsentationen, gestalteten einen sehr guten Workshop mit Sportler:innen und berichteten von ihrem hohem Engagement zur Weiterentwicklung des Leichtathletik-Systems ihres Landes, aber auch von ihrer Frustration mit den korrupten und teilweise mafiösen Polit- und Machtsystemen Albaniens.
Albanien bis 2024 auf der „Watch List“
Die Manipulation Windmessungswerte bei einem Weitsprung-Wettkampf von Izmir Smajlaj im Jahr 2021 führte den Hallen-Europameister von 2017 zwar zu den Olympischen Spielen nach Tokio, sorgte aber dafür, dass die Athletics Integrity Unit (AIU) Albanien von 2022 bis 2024 auf die „Watch List“ von World Athletics setzte. Außerdem wurden der damalige Präsident und der damalige Generalsekretär des Albanischen Leichtathletik-Verbands, die den Betrug deckten, gesperrt und abgesetzt.
Seit diesem Skandal steht der beste Trainer des Landes Taulant Stërmas, Trainer von Albaniens Superstar Luiza Gega, dem Verband als Präsident vor. Sein junges Team, mehrheitlich bestehend aus seinen Athlet:innen bzw. ehemaligen Athlet:innen, versucht mit großem Engagement, Anschluss an die Leichtathletik-„Neuzeit“ zu finden. So wurden neue Kampfrichter:innen mit Hilfe von World Athletics und der erste AIMS-Vermesser mit Hilfe von European Athletics ausgebildet, eine erste Datenbank für die Ergebniserfassung von Wettkämpfen programmiert oder das seit mehreren Jahren im Besitz des Verbands befindliche und niemals verwendete Zielbildauswertungssystem der Firma „FinishLynx“ endlich in Betrieb genommen.
Albaniens junges Verbandsteam: v.l.n.r. Wettkampfreferent Malvin Nikolla, 800-m-Läuferin Relaksa Dauti und Generalsekretär Enea Rezhda (C) ÖLV
Dem zarten Pflänzchen der Leichtathletik-Familie Albaniens, der nur 23 Vereine, davon 13 wirklich aktive, angehören, droht aber wieder Ungemach. Die neuerliche Wahl des Vorstands unter Taulant Stërmas hätte schon letztes Jahr im August erfolgen sollen. Einflussnahmen der albanischen Machtzirkel und Einsprüche der albanischen Regierung mit dem Vorwurf des statutenwidrigen Vorgehens verzögerten die Generalversammlung, die nun endlich im Mai 2025 erfolgen soll. Und justament Izmir Smajlaj kandidiert gegen die aktuelle Verbandsspitze.
Sport als Spiegelbild der Gesellschaft – auch in Albanien
Diese Spannungen wurden den Gästen aus Polen, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Österreich während des zweitägigen Aufenthalts klar ersichtlich. Der Sport ist das Spiegelbild der Gesellschaft, das zeigt sich auch hier in Albanien. Tolle Hotels und Luxusbauten säumen die Straßen, daneben zahlreiche verfallene Bauruinen und darbende Infrastruktur. Die Autobahn würde wohl in keinem westlichen Land so bezeichnet werden. Die beiden großen Städte Tirana und Durrës verbindet nach wie vor keine Zugverbindung. Die vor kurzem errichtete Leichtathletik-Anlage in Tirana (Foto) weist bereits nach kurzer Zeit Mängel am Belag auf. „Weil die Arbeiter keine Fachkräfte waren und nicht wirklich wussten, wie der Polytan-Belag zu verarbeiten sei“, wurde berichtet. Viele junge, gut ausgebildete Albaner:innen suchen daher das Weite und wandern aus. Kein Wunder, bei dieser teilweise Perspektivenlosigkeit und der Ohnmacht gegen das Politsystem, bei dem zahlreiche hohe Politiker – darunter auch Ex-Staatspräsidenten – wegen Korruptionsvorwürfen derzeit inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt sind.
Luiza Gega Superstar
Die nur 1,59 cm große Läuferin ist der Star schlechthin der albanischen Leichtathletik. Sie kürte sich in München 2022 zur 3000-m-Hindernis-Europameisterin, ist albanische Rekordhalterin in allen Distanzen von 800 m bis zum Marathon. Im Gespräch beim Abendessen berichtete sie von ihrer Erfolgskarriere, die mit dem Wechsel auf die 3000-m-Hindernis-Distanz (PB: 9,09,64 min, 2023) und der EM-Silbermedaille 2016 in Amsterdam erst so richtig begann. Die mittlerweile 36-Jährige bekam aufgrund ihrer sportlichen Erfolge eine Stelle beim Militär, „ehrenhalber“, wie sie selbst sagt. Sie überlegt, im heurigen Jahr eine Auszeit zu nehmen und dann eventuell auf den Straßenlauf zu setzen. Dabei schwang aber etwas Skepsis mit, denn sie führte ihr fortgeschrittenes Alter ins Treffen. Ihr Marathon-Debüt hat sie bereits hinter sich. Nach ihrem längsten Trainingslauf, der lediglich 22 km betrug, lief sie unvorbereitet den Tirana-Marathon auf hügeligem Kurs in einer Zeit von 2:34 Stunden und unterstrich ihr Potenzial auf der Langdistanz.
Keine Unterstützung, aber sehr hohes Prämiensystem
Im Zuge der Tagung wurde den Gästen auch das albanische Sportgesetz vorgestellt, welches Verschiedenes für alle Sportarten regelt. Bemerkenswert ist jedenfalls das Prämiensystem für sportliche Erfolge, welches Rekorde, Titel und Medaillen sehr hoch belohnt. Auch Podiumsplätze bei den Mittelmeerspielen und Siege bei Balkan-Meisterschaften sind finanziell dotiert. Alle Prämien sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Luiza Gega kommentierte dieses System kritisch, denn der Weg zum Erfolg wird nicht gefördert, aber ganz oben warten dann enorme Prämien auf die Individualsportler:innen aller Verbände. Das Sportgesetz sieht auch vor, dass die Trainer:innen 40 Prozent der ausgelobten Prämien der Athlet:innen erhalten.
So erhielt Gega für ihren EM-Titel in München rund 40.000 EUR, ihr Trainer Stërmas 16.000 EUR. Besonders lukrativ waren auch ihre unzähligen Goldmedaillen bei Balkan-Meisterschaften, die jeweils mit 10.000 EUR dotiert waren. So erklärt sich, warum Gega immer wieder, zum Beispiel auch letztes Jahr im heißen Izmir (TUR), alleine ihre Runden über 3000 m Hindernis und 5000 m zog. Die Doppelsiege waren jedes Mal nötig, „um die Trainingslager in Kenia zu finanzieren“, wie sie selbst sagt.
REKORDE | . | . |
Olympischer Rekord | ca. 150.000 Euro | 15.000.000 lekë |
Weltrekord | ca. 150.000 Euro | 15.000.000 lekë |
Europarekord | ca. 60.000 Euro | 6.000.000 lekë |
Mittelmeer-Rekord | ca. 30.000 Euro | 3.000.000 lekë |
Balkan-Rekord | ca. 15.000 Euro | 1.500.000 lekë |
OLYMPISCHE SPIELE | . | . |
1. Platz (GOLD) | ca. 100.000 Euro | 10.000.000 lekë |
2. Platz (SILBER) | ca. 70.000 Euro | 7.000.000 lekë |
3. Platz (BRONZE) | ca. 50.000 Euro | 5.000.000 lekë |
4. Platz | ca. 30.000 Euro | 3.000.000 lekë |
5. Platz | ca. 20.000 Euro | 2.000.000 lekë |
6. Platz | ca. 10.000 Euro | 1.000.000 lekë |
7. Platz | ca. 8.000 Euro | 800.000 lekë |
8. Platz | ca. 5.000 Euro | 500.000 lekë |
WELTMEISTERSCHAFTEN | . | . |
1. Platz (GOLD) | ca. 100.000 Euro | 10.000.000 lekë |
2. Platz (SILBER) | ca. 60.000 Euro | 6.000.000 lekë |
3. Platz (BRONZE) | ca. 40.000 Euro | 4.000.000 lekë |
4. Platz | ca. 20.000 Euro | 2.000.000 lekë |
5. Platz | ca. 10.000 Euro | 1.000.000 lekë |
6. Platz | ca. 8.000 Euro | 800.000 lekë |
7. Platz | ca. 6.000 Euro | 600.000 lekë |
8. Platz | ca. 4.000 Euro | 400.000 lekë |
EUROPAMEISTERSCHAFTEN | . | . |
1. Platz (GOLD) | ca. 40.000 Euro | 4.000.000 lekë |
2. Platz (SILBER) | ca. 20.000 Euro | 2.000.000 lekë |
3. Platz (BRONZE) | ca. 10.000 Euro | 1.000.000 lekë |
4. Platz | ca. 8.000 Euro | 800.000 lekë |
5. Platz | ca. 6.000 Euro | 600.000 lekë |
6. Platz | ca. 4.000 Euro | 400.000 lekë |
MITTELMEERSPIELE | . | . |
1. Platz (GOLD) | ca. 20.000 Euro | 2.000.000 lekë |
2. Platz (SILBER) | ca. 10.000 Euro | 1.000.000 lekë |
3. Platz (BRONZE) | ca. 8.000 Euro | 800.000 lekë |
BALKAN-MEISTERSCHAFTEN | . | . |
1. Platz (GOLD) | ca. 10.000 Euro | 1.000.000 lekë |
„Capacity Building“-Projekte als „Entwicklungshilfe“
Das ERASMUS-Plus-Projekt „Working Together – Succeeding Better” hat sich zum Ziel gesetzt, den Austausch zwischen den Beteiligten Ländern zu fördern und gemeinsam eModule zu entwickelt. Die in der Leichtathletik besser entwickelten Verbände aus Polen, Bulgarien und Österreich sollen dabei jenen aus Bosnien und Herzegowina, Albanien und Kosovo unter die Arme greifen. Wie auch bei den ersten beiden Arbeitstreffen in Sofia (BUL) und Warschau (POL) war der Austausch der unterschiedlichen Arbeitsweisen im Bereich Verbandsadministration, Athlet:innen-Verwaltung, Kampfrichter:innen-Rekrutierung und Umsetzung von Safeguarding-Maßnahmen sehr gut.
Das von der EU-geförderte Projekt wird mit weiteren Arbeitstreffen in Sarajevo (BIH), 25.-27.4.2025, in Wien, 16.-18.5.2025, und Pristina (KOS), 6.-8.6.2025 fortgesetzt. Anschließend steht die Ausarbeitung der eModule für die unterschiedlichen Zielgruppen auf dem Programm.
Text- und Bildquelle: Österreichischer Leichtathletik-Verband